Schwäbische Zeitung vom 21.03.2023
Karin Schütrumpf
Für Turbulenzen im Hause Gütlich sorgt nicht nur der Streit zwischen Gitti (Sandra Marschall, ganz links) und Frido (Jörn Obermann, ganz rechts). Auch Mizzi (Vanessa Lenz) mit ihren zwei Gespielen Peter (Heinrich Steinhauser, links) und Gunnar (Simon Trakowsky, rechts) sorgen gemeinsam mit der Heilerin Nessi Well (Ulla Käckenmeister, Zweite von rechts) für urkomische Verwicklungen. (Foto: Karin Schütrumpf)
„Diagnose: Tote Hose“: Theatergruppe präsentiert am Gleis 1 turbulentes Verwirrspiel rund ums eheliche Schlafgemach.
Gitti vermisst sie, und Conny könnte sie gut missen — die gewissen Aktivitäten im ehelichen Schlafgemach. Dass die beiden Freundinnen da Abhilfe schaffen wollen, sorgt in der Komödie „Diagnose: Tote Hose“ von Bernd Kietzke für turbulente und urkomische Verwicklungen. Die Laienspielgruppe Meckenbeuren lud zur Premiere ans Gleis 1und spielte vor vollen Rängen.
Szenen eines ehelichen Kleinkriegs
Auf dem Wäscheständer vor dem Vorhang hängen Herrenschlüpfer mit halbem Bein und rote Tangas — und damit ist der Zuschauer visuell auch schon mittendrin im ehelichen Kleinkrieg der kapriziösen Gitti Gütlich, verkörpert von Sandra Marschall, und ihrem Mann Frido, den Jörn Obermann herrlich schlafmützig mimt. Gittis Freundin Conny (Verena Damourne–Lutz) hat genau das umgekehrte Problem. Ihr Gatte, der sich „Er–ich Hart–Mann“ nennt, ist unersättlich. Andreas Seitz setzt den selbstverliebten Macho gekonnt in Szene.
Blaue Pillen versus Valium
Die Damen hoffen auf pharmazeutische Hilfe. Frido sollen blaue Pillen im geliebten Vanillepudding auf Trab bringen. Erich soll durch Valium im Schokodessert zur Ruhe kommen. Dass die Herren zum falschen Pudding greifen, löst eine Kette herrlicher Verwicklungen aus. Gittis Schwester Mizzi (Vanessa Lenz) bringt mit ihren beiden Liebhabern, dem bulligen Peter Niss (Heinrich Steinhauser) und dem verknöcherten Bücherwurm Gunnar Schlecht (Simon Trakowsky), zusätzlich Leben ins Haus Gütlich.
Hippibunte Heilerin hat es drauf
Zwischen dem schüchternen Lasse (Peter Schimmels) und der berechnenden Nora (Verena Rudhardt), den Kindern der beiden Ehepaare knistert es gewaltig. Die hippibunte Heilerin Nessi Well, die Ulla Käckenmeister über die Bühne geistern lässt, ist längst nicht so verpeilt wie sie aussieht und bekommt mehr mit, als manchem lieb ist.
Verwirrspiel mit Liebe zum Detail
Die Regisseure Verena Damoune–Lutz und Simon Trakowsky inszenieren das Verwirrspiel mit Liebe zum Detail. Dialoge mit viel Wortwitz und mit Herzblut spielende Akteure machen Spaß beim Zuschauen. Das Bühnenbild (Gerhard Schmid und Team), Kostüme und Requisiten, stimmen bis aufs i–Tüpfelchen. Der schlafmützige Frido erscheint mit braunen Puschen und grauer Strickweste, Lasse Gütlich im Ton–in–Ton Jeansblau, die gestresste Conny Hartmann versteckt sich in einer voluminösen Riesenstrickjacke, und bei Heilerin Nessi Well sorgen wallende Gewänder in allen Farben für einen wahrhaft schillernden Auftritt.
Ton und Licht hat Lars Koch perfekt im Griff. Das Publikum lacht viel und herzlich, die Mitspieler können erleichtert aufatmen und die Premiere genießen. Donnernder Applaus und viele „Vorhänge“ sind der Lohn der Laienspieler.
Wenn der „Spieleabend“ aus dem Ruder läuft

Mit Bernd Spehlings Komödie „Der Spieleabend“ hat die Laienspielgruppe Meckenbeuren am Freitagabend nach langer von der Corona-Pandemie erzwungener Spielpause wieder eine Premiere im Kulturschuppen feiern und ihre Zuschauer in ein turbulentes Spiel hineinziehen dürfen.
Auch wenn es dank wohlbekannter Typen und ihrer lockeren Sprüche genug zu lachen gibt, mag man das Spiel eigentlich gar nicht Komödie nennen, denn am Ende steht kein „Happy“, sondern eher Chaos. Offen bleibt, ob der Zusammenhalt in der über zwanzig Jahre währenden Freundesgruppe von drei Männern und drei Frauen überhaupt noch möglich sein wird.
Brüchigkeit der Fassaden erinnert ans „Konfirmandefescht“
Sie sind wieder einmal zusammengekommen, erwarten einen gemütlichen Abend mit Getränk und Häppchen. Wie immer haben Gerhard Schmid und sein Team das Bühnenbild liebevoll gestaltet: Bequeme Sessel reihen sich um den Tisch, rechts eine Anrichte mit genügend Alkoholischem, links ein angedeuteter Balkon, wo hastig zur Zigarette gegriffen wird. Schnell tut sich die Brüchigkeit der Fassaden in der vorgeblich heilen Welt auf. Man erinnert sich an Fitzgerald Kusz‘ Komödie „s‘ Konfirmandefescht“, das 1986 auch in Meckenbeuren gespielt wurde. Ein Klassiker, der minutiös das Umkippen einer Familienfeier in einen handfesten Streit verfolgt. Oder an das Aneinander-Geraten von Alpha-Männern und Supermüttern in Yasmina Rezas „Gott des Gemetzels“ – solche Gefechte erfreuen sich immer wieder großer Beliebtheit.
Bernd Spehlich lässt sechs Typen aufeinandertreffen, denen die Spieler mit sichtlichem Vergnügen Konturen verleihen. Da sind die Gastgeber Ralf (Andreas Seitz) und Ann-Katrin (Sandra Marschall), er ein gestandener Automobilverkäufer, der sich als Angestellter gegen die anderen wehren muss, sie eine „Helikoptermutter“, die ihren 17-Jährigen nicht aus den Augen lassen mag. Als Gäste kommen der Musiker Arne – Simon Trakowsky als köstlich punkiger, erfolgloser, aber sympathischer, auf Ausgleich bemühter Musiker –, Mike – Florian Falkert als smarter Start-up-Manager mit Macken –, die Veganerin Hanke – Verena Damoune-Lutz kostet vergnügt das Image der „pseudolinken Egomanin“ aus – und die zickige Single-Frau und Erzieherin Amelie, die Vanessa Lenz mit Biss für ihre Rechte kämpfen lässt.
Dreierteam bei der Regie: Susanne Barthel, Verena Damoune-Lutz, Vanessa Lenz
Im Ablauf wirkt vieles konstruiert. Das von Mike erfundene, elektronisch gesteuerte Gesellschaftsspiel, das den Abend bestimmt, wirft Themen in den Raum, über die in zwei Teams diskutiert werden soll, mit Eskalationsregeln: „nicht polemisch werden“. Klar, dass Diskussionen über die Umverteilung von staatlichen Subventionen, über den Verzicht zugunsten von besser bezahlten Pflegeberufen oder über Pro und Contra Schwangerschaftsabbruch aus dem Ruder laufen. Animositäten tun sich auf, man wird hitzig, Handgreiflichkeiten bleiben nicht aus. Und zum überraschenden Ende kommen Dinge ans Licht, die besser unterm Teppich geblieben wären.
Die Thematik erinnert an manche Talkshows, führt auch mal zu Längen. Aber es macht Spaß, die Entwicklung der griffig gezeichneten Personen zu erleben, zu sehen, wie die Spieler – dank der lebendigen Regie des Dreierteams Susanne Barthel, Verena Damoune-Lutz und Vanessa Lenz – mit der keineswegs leichten Materie umgehen.
Gemetzel auf der Bühne - locker kommentiert beim Bier
Vergeblich bittet Antigone (links Pia Moser) ihre Schwester Ismene (Mara Knobel) um Mithilfe (Foto Helmut Voith)
Einer gegen Alle: Kreon (Robert Bagehorn) vor dem Chor - von links Tim Knobel (Haimon) Elke Knobel (Teiresias) Mara Knobel (Ismene) Pia Moser (Antigone) und Anja Zürn (Wächter) (Foto Helmut Voith)
Sophokles‘ blutiges Drama „Antigone“ war schon ein gewagtes Stück für die Laienspielgruppe Meckenbeuren. Sie lockt sonst eher mit Komödien ins Theater, etwa mit „Currywurst und Pommes“, das im letzten Jahr nur wenige Tage vor der Premiere dem Lockdown zum Opfer fiel. Um dieses Jahr eine Spielchance zu haben, griff man zum alten Griechen, dessen Stück mit einigen Eingriffen mit nur sieben Spielern und dem nötigen Abstand zu bewältigen war. Dennoch ein Wagnis, das bei der Premiere einen sparsam besetzten Zuschauerraum bescherte.
Dabei haben sich Regisseur und Hauptdarsteller Robert Bagehorn und seine Mitspieler viel Mühe gegeben, das Stück für uns Heutige verständlich zu machen und Gedankenanstöße für unsere Zeit einzubringen. Das begann schon beim Vorspann. Während Sophokles bei seinen Zuschauern die Vorgeschichte selbstverständlich voraussetzen kann, ist hier Bagehorn vor den Vorhang getreten, hat humorvoll die verworrenen Verhältnisse um Ödipus und dessen mit seiner Mutter gezeugten Kinder dargelegt und zuletzt „viel Vergnügen bei dem Gemetzel“ gewünscht.
Tödlicher Zweikampf
Sichtbar wurde sogleich das „Gemetzel“ der Brüder Polyneikes und Eteokles, denn sie trugen ihren tödlichen Zweikampf in bläulichem Halbdunkel auf offener Bühne aus, und auch Antigone streute bereits Sand auf den toten Bruder Polyneikes, dem laut Gebot des neuen Herrschers Kreon ein Begräbnis versagt bleiben sollte.
Jetzt kann Sophokles‘ Dramentext einsetzen, der Dialog von Antigone mit ihrer jüngeren Schwester Ismene. Eine aufrechte, stolze Frau stellt Pia Moser auf die Bühne. Sie setzt sich bewusst über Kreons Gebot hinweg, wissend um die angedrohte Todesstrafe, doch sie stellt das ungeschriebene Gesetz der Götter darüber. Ismene aber fühlt sich nicht imstande, sich gegen Kreons Gebot aufzulehnen, deutlich zeigt Mara Knobel ihren inneren Kampf. Das Verhängnis nimmt seinen Lauf, denn Kreon ist ganz auf die Einhaltung seines Gebotes fixiert – er sieht nur den Schaden für die Polis, wenn er den Aufrührer, der gegen Theben gekämpft hatte, ehrenhaft begraben ließe.
Lebendig eingemauert
Auch sein Sohn Haimon, Antigones Verlobter, dem Tim Knobel die nötige Autorität mitgibt, vermag ihn mit Argumenten nicht umzustimmen – Antigone wird lebendig eingemauert und erhängt sich, Haimon geht mit ihr in den Tod, ebenso seine Mutter, als sie von dem Unglück erfährt. Zu spät hat Kreon, vom Seher Teiresias (Elke Knobel) aufgerüttelt, eingelenkt. Zu spät kommt bei Kreon die Einsicht, zu spät sein tränenersticktes Eingeständnis seiner Schuld. Mit dem verängstigten Wächter (Anja Zürn) und dem ungerührten Boten (Mara Knobel) bringt die Regie etwas Entspannung ins Drama.
Wo im antiken Drama ein Chor das Geschehen wortreich begleitet und kommentiert, wo die weisen alten Männer vergeblich warnen, hat hier die Regie sehr heutige Beobachter an den Rand gesetzt, die das Geschehen locker beim Bier kommentieren. Es sind zugleich die Akteure, die je nach Szene eine Jacke anziehen, einen Überwurf umhängen oder einen Wächterhelm aufsetzen, in den Dialog treten und dann wieder zurücktreten. Nur Kreon bleibt immer der Außenstehende, der Unbelehrbare. Er darf als Letzter sich winselnd am Thron winden, bis ihn einer am Arm nimmt: „Es ist vorbei.“
Das Spiel ist aus und die Spieler fragen: „Was ist jetzt von dem Ganzen die Moral?“ Kreons Hybris hat ihn verführt, sich über das Gesetz der Götter zu stellen, er ist vernichtet. Wo er das Wohl des Staates über alles gestellt hat, hat Antigone für die Würde des Menschen gekämpft.
Schwäbische Zeitung vom 10. März 2020
Abgesagt wegen Corona
In der Vorausschau treffen weitere Absagen von Veranstaltungen bei der SZ ein, aber auch Reaktionen auf jüngste Entwicklungen. So weist die Laienspielgruppe Meckenbeuren darauf hin, dass es Änderungen bei der Kartenrücknahme für das abgesagte Stück „Currywurst & Pommes“ gibt.
„Durch die Schließung der Geschäfte und somit auch der Vorverkaufsstelle Gresser in Meckenbeuren können die Karten nicht zum vorgegebenen Termin 28. März zurückgegeben werden. Die Rücknahme der Karten wird deshalb auf die ersten zwei Wochen nach Wiederöffnung der Geschäfte verschoben“, gilt als neue Regelung.
Lustige und tragische Gestalten treffen sich an Pennys Currywurstbude. (von links) Penny (Elke Knobel) , die Rentner Kurt (Dietmar Ammann) und Adolf( Andreas Seitz) als werdende Eltern Heinrich Steinhauser und Vanessa Köhler. (Foto: Karin Schütrumpf)
Drei Esoteriktanten, drei Manager und drei Mönche – und was in drei Wochen alles so passieren kann, erlebt Penny die Wirtin von der Currywurst Bude an der Autobahn. Das Stück von Frank Pinkus und Nick Walsh, stammt aus dem Jahr 1997 und begeisterte schon auf vielen Bühnen. Die Laienspielgruppe Meckenbeuren hatte es vor 19 Jahren auch schon mal im Programm. Anja Zürn stand damals wie heute auf der Bühne.
An ihrem Kiosk sieht Penny Aufreißer, Fußballfans und Familien Rast machen. Alle sind auf dem Weg irgendwohin. Bauarbeiter, Rentner und Penner – die Stammgäste vom Büdchen mischen kräftig mit. Nach drei Wochen treffen sich auf dem Rückweg viele an der Wurstbude wieder. Doch inzwischen hat das Schicksal die Karten völlig neu gemischt.
Die Laienspielgruppe Meckenbeuren lädt in diesem Jahr zu „Currywurst und Pommes“ - zu satirischen Momentaufnahmen am Rand einer deutschen Autobahn ein. „Es ist wieder völlig neu für mich – eine andere Regie, eine andere Rolle. Die Zutaten für „Currywurst und Pommes“ sind jetzt ganz andere“, schildert Anja Zürn. Regie führt bei der aktuellen Inszenierung in Meckenbeuren Robert Bagehorn, der von sich selbst sagt: „Ich mag keine feststehenden Texte.“ „Macht euch euren Text mundgerecht“, fordert er die Akteure von der Laienspielgruppe auf.
Das ist vor allem für neue Darsteller im Ensemble eine Herausforderung. Mit Witz und Humor turnen die Akteure durch ihre Rollen. Eine Esoteriktante (Verena Damoune-Lutz) erzählt farbig und mit wunderhübschem französischen Akzent von „trrrrommmmeln und piiiiinseln“ im Seminar. Zwei aus dem Altersheim vor Schwester Mechthild geflohene Rentner beklagen sich bei Penny über das Essen: „kein Waldorf-Salat“. Fußballfans, lädiert von der Randale im Station, kehren zu einem Bier bei Penny ein. Mönche schwärmen vom Helene Fischer Konzert. Bei Currywurst und Pommes blickt der Zuschauer am Autobahn-Kiosk in ein buntes Kaleidoskop von lustigen, tragischen und berührenden Geschichten. „Das muss schneller hintereinander kommen. Ihr könnt das“, spornt Regisseur Bagehorn die Schauspieler bei der Probe an. „Wir haben die Texte aktualisiert und entstaubt“, erzählt Bagehorn. Die Instagramm-Familie kennt 2020 bei der Jagd nach Klicks kein Pardon. Das gab es 1997 in dieser Form wohl weniger. Zeitlos ist der Opa, der ins Altersheim abgeschoben wird. Bauarbeiter, Penner, zerstrittene und neu zusammengewürfelte Paare sorgen in der Episodenkomödie auf jeden Fall für viel Spaß. Besonders wichtig sind Bagehorn stimmige Übergänge: „Ich habe zwei Tage im Kaffee gesessen und Namensschildchen hin und her geschoben“, erzählt er von den Schwierigkeiten, die 28 Szenen des Stücks so zu besetzen, dass jeder der 17 Darsteller noch genug Zeit zum Umziehen hat. Nur noch wenige Proben trennen die Laienspielergruppe von der Premiere am 20. März.
Die Zuschauer können sich auf viel Spaß freuen, auf skurrile Typen in tollen Kostümen, auf eine Wurstverkäuferin, die ihre Gäste zu nehmen, auszunehmen und zu lenken weiß und auf Charaktere, die schließlich doch ganz anders sind als erwartet. „Currywurst mit Pommes“ gibt es im Kulturschuppen allerdings nur auf der Bühne: Wer nach dem Theater Appetit auf den Fast-Food-Klassiker bekommen hat, muss fremdfuttern gehen. Das kriegen wir am Gleis 1 nicht hin“, räumt Margot Fischer-Reiser von der Laienspielgruppe ein.

Dicht gedrängt sitzen die Zuschauer an Biertischen im Kulturschuppen – wie sonst beim Bahnhofsfest-Straßentheater der Laienspielgruppe. Die Publikumshits aus 36 Jahren sorgen für ein volles Haus. Mit „Bitte Vorsicht am Gleis 1“ startet die Laienspielgruppe einen erfolgreichen Angriff auf die Lachmuskeln. Bei witzigen Sketchen, tollen Einaktern und frechen Liedern, kommen die Zuschauer aus dem Lachen gar nicht mehr raus.
Die Laienspieler nehmen den Zwist zwischen Katzenfreundin und Hundehalter aufs Korn. Und sorgen mit einer nicht ganz so direkten Wegbeschreibung für Gelächter. Vom Geißbock und seiner Gespielin, die auf dem „Häfelesmarkt“ für Scherben sorgen ist auch die Rede.
Raphael Thiel und Didi Ammann treten als Bänkelsänger „Drunt in der grünen Au“ auf und präsentieren als Schotten Dudelsackmusik mal a capella. Didi Amman jault fast so schön wie das schottische Blasinstrument.
Viel Beifall bekommen die Laienspieler für den schön gereimten Einakter „Der Hirsch im grünen Wald“. „Das haben wird schon 1999 auf dem Bahnhofsfest gespielt“ erzählt Didi Ammann, der das Programm für diesen Abend zusammengestellt hat. Mitspieler der mörderischen Moritat: ein Jäger (Florian Falkert) und sein auf Rollen laufender Stoff-Jagdhund, ein Wilderer (Michael Marschall) und sein Nebenbuhler (Wolfgang Kugele) um die Gunst der Jägerstochter (Verena Damoune-Lutz).
Ein vielbeklatschter Höhepunkt des Abends ist eine Seifenoper, die schon zweimal beim Bahnhofsfest begeisterte. Bei „Brot und Rosen im Strudel des Ruins“ spielt das Ensemble mit so übertriebener Gestik und Mimik wie in einem Stummfilm. Unglaublich komisch agiert Wolfgang Kugele als Erzähler. Vater (Andreas Seitz) und Mutter „Ehrenwert“ (Sabine Beck) werden von Gutsherr „Faustrecht“ (Didi Amann) unter Druck gesetzt. Auftritt der tugendreichen Tochter „Maria“ (Verena Damoune- Lutz): Der Erzähler trägt ein Plakat mit Marias Telefonnummer der „32 16 8“ aus dem Song „Skandal im Sperrbezirk“ über die Bühne.
„Faustrecht“ droht der Familie „Ehrenwert“ mit Rausschmiss – der Erzähler lässt Papierflocken als Schnee auf die Bühne rieseln – es sei denn, Faustrecht bekommt Maria zur Frau. Natürlich naht Rettung durch den verschollen geglaubten Sohn (Michael Marschall) und durch Marias Freund Hans Mannhaft (Simon Trakowski).
Florian Falkert hüft als Nummerngirl über die Bühne und erklärt als Beamter des Innenministeriums beim „Bauernskat“ die Weltpolitik mit Bierseideln und einer Pipeline aus Brotstangen. In einem Sketch aus dem Operationssaal müssen „Dr. Rotkirch“ (Andreas Seitz), Narkoseärztin „Dr. Göbel“ (Anja Zürn), „Schwester Esther“ (Mara Knobel) und Pfleger „Olli“ (Simon Trakowsky) erst mal auswürfeln, was heute operiert wird. Die Wahl fällt auf den Blinddarm.
Da Patient Krummbügel aber leider schon keinen mehr hat, beschließen die vier Fürchterlichen den Darmannex bei Patientin Sauerland aus- und bei Krummbügel einzubauen. Pfleger Olli sorgt für die Holzhammernarkose und das OP-Team will schon zu Teppichmesser und Kneifzange greifen, da taucht Putzfrau Gundula (Ulla Käckenmeister) auf. Die Raumpflegerin rät fachkundig zu einem minimalinvasiven Eingriff – bis sie entdeckt, dass Krummbügel, der Mann ist, der sie vor 20 Jahren sitzen ließ.
Ein Gag jagt den nächsten. Die Zuschauer kommen aus dem Lachen gar nicht mehr raus. „Wir hätten noch Material für zwei bis drei Abende gehabt“, erzählt Didi Ammann. Vom Erfolg sind die Laienspieler selbst überrascht. Eine Fortsetzung schließt Ammann nicht aus.
„Bitte Vorsicht am Gleis 1!“

Im nebelverwöhnten Schussental wird es am 2. November noch einmal richtig bunt werden, denn die Laienspielgruppe Meckenbeuren lädt an diesem Abend zu einem ganz speziellen Bühnenerlebnis in den Kulturschuppen am Bahnhof ein. Unter dem Titel „Bitte Vorsicht am Gleis 1“ erwartet die Theaterfreunde ein urkomisches Programm der ganz besonderen Art.
In den über 36 Jahren, in denen die Laienspielgruppe bereits ihre Straßentheater aufführt, waren immer auch einige außergewöhnliche Stücke dabei, die sich von der Masse abhoben und die bei Zuschauern und Spielern gleichermaßen außergewöhnliche Eindrücke hinterlassen haben. Diese ganz besonderen Theaterperlen noch einmal auf die große Bühne zu bringen, ist die Umsetzung einer langfristig gehegten Idee und die Erfüllung eines von vielen Stammzuschauern geäußerten Wunsches. Endlich ergibt sich so die Möglichkeit, die ganz persönlichen Lieblingsstücke vergangener Jahre noch einmal wiederzusehen oder, falls einmal verpasst, selbst in den Genuss dieser fast schon legendären Bühnenwerke zu kommen. Doch das ist noch nicht alles, denn darüber hinaus wird es bei „Bitte Vorsicht am Gleis 1!“ auch viele neue Sketche zu bestaunen geben, zudem freche Sprüche, drollige Gesangsnummern und eine kleine Prise Kabarett.
Insgesamt vier Regisseure haben sich gleich nach dem Bahnhofsfest der Herausforderung gestellt und mit zahlreichen Akteuren eine aberwitzige Spielfolge zusammengestellt, bei der bereits die Proben zu etlichen Lachern führten. Dabei gibt es neben vielen altbekannten Gesichtern auch dieses Mal wieder einige neue Akteure zu sehen, denn die Anzahl der Theater begeisterten Mitspieler ist auch in diesem Jahr wieder erfreulich gestiegen. Dass die Laienspielgruppe überhaupt ein ganz aktiver und lebendiger Verein ist, zeigt sich insbesondere daran, dass sich alle Beteiligten, egal ob vor oder hinter der Bühne, immer mit größtem Engagement an den umfangreichen Vorbereitungen beteiligt haben. Nur so wurde es möglich, diesen ganz besonderen Theaterabend, außerhalb der sonst üblichen Spielroutine, zu bieten. Aus Sicht des Vereins keine leichte Aufgabe, denn am 29. November feiert bereits die Jugendgruppe mit ihrem diesjährigen Stück „Die kleine Hexe“ ihre Premiere und für das Erwachsenenstück im März nächsten Jahres wird auch schon geprobt.
Für „Bitte Vorsicht am Gleis 1!“ wird der Kulturschuppen umgestaltet werden. Neben Sitzplätzen besteht die Möglichkeit, sich an den Biertischerhöhungen aus dem Hause Hoher niederzulassen. Für das leibliche Wohl wird gesorgt sein, denn im Saal findet durchgehend eine Bewirtung statt. Auch das macht diesen Abend bei der Laienspielgruppe so ungewöhnlich. Auf diese Art können alle Zuschauer einen angenehmen und geselligen Theaterabend erleben und genießen. Apropos Zuschauer: Die dürfen sich auf ein wirklich sagenhaftes Programm freuen – sogar eine für Meckenbeuren obligatorische Geißbock-Nummer wird es geben.
Zur Probe im Paradies


Vor 24 Jahren hat die Laienspielgruppe die Komödie „Das schwäbische Paradies“ schon einmal gespielt, jetzt haben sie das Stück in einer für Laien ungemein dichten, intensiven Inszenierung von Wolfgang Kugele auf die Bühne im Gleis 1 gebracht.
Der Tod gehört für die Menschen untrennbar zum Leben. Was Wunder, dass sie sich seit jeher Gedanken darüber gemacht haben, wie es wohl hinterher weitergeht. Der Autor Manfred Eichhorn hat in einem liebevoll aufgebauten Bilderbogen das Schicksal des Weinbauern Stiegele in den Mittelpunkt gestellt und in nostalgischer Verklärung gezeigt, was geschieht, wenn ein Mensch mit vollem Risiko den Tod dazu bringt, dass er ihm noch weitere zwanzig Jahre zugesteht. Die Komödie geht auf Franz von Kobells mehrfach für Bühne und Film bearbeitete, Anfang des 19. Jahrhunderts spielende Erzählung vom Brandner Kaspar, der den Tod hereinlegt, zurück. In Meckenbeuren wird eine schwäbische Fassung der Komödie gespielt, die Handlung in die fruchtbare Landschaft am Bodensee übertragen. Hier wird der Tod nicht mit Schnaps geködert, sondern der Stiegele lädt den widerstrebenden Knochenmann zu einem Glas seines besten Weißherbsts ein. Köstlich, wie er ihn mahnt, dieses Gottesgeschenk mit Ehrfurcht zu schlotzen.
Das wunderbar passende Bühnenbild beschwört von der ersten Szene an heimelige Stimmung. Fischer und Weingärtner sitzen am Tisch und singen altbekannte Lieder. Doch die Welt ist keineswegs heil. Der noch gar nicht so alte Stiegele spürt seine Leber, greift sich mehrfach ans Herz, da kann beileibe nicht alles stimmen. Es ist eine Paraderolle, die Didi Ammann ohne Pathos, ganz von innen heraus spielt. Lebensecht sind auch die anderen. Etwa Torsten Fahr als Geldgeber namens Wucherer, der nett gewesen sein muss, bevor das Geld all sein Denken bestimmte. Ebenso Sandra Marschall als geschäftiges Riggele und Verena Damoune als liebevolle Enkelin Dorle.
Dumpfer Donner schafft eine unheilschwangere Atmosphäre, der Alte hört seinen Namen rufen, wenig später steht Wolfgang Kugele als Tod bei ihm im Haus, will ihn mit aller Bestimmtheit holen. Durch einige Viertele wagemutig und noch gewitzter trickst der Stiegele den „Boinerkarle“ aus, der beschwipst von dannen zieht, ein herrliches „Duell“. Wie neu geboren kommt sich der Stiegele vor, genießt den Besuch seiner Enkelin, die der Jugendfreund Karle (Heinrich Steinhauser) eifrig begleitet, doch schnell braut sich Unheil am Himmel und auf der Erde zusammen. Simon Trakowsky kommt als „Schatz“ aus der Stadt und gerät mit Karle aneinander, doch schlimmer noch: Die Totenglocke läutet – beim Versuch, die anderen vor Unheil zu bewahren, ist das Dorle ertrunken.
Da sind dem Stiegele seine gewonnenen Jahre nichts mehr wert, doch durchhalten will er, versprochen ist versprochen. Erst das Angebot des Boinerkarles, mit ihm nur mal probeweise, nur für eine Stunde zum Himmel zu fahren, kann ihn zum Mitkommen bewegen. Denn droben hat man inzwischen sein Fehlen entdeckt. Man ahnt, was kommen muss, und genießt die Details.
Liebevoll malen die Laienspieler das „schwäbische Paradies“ aus. Geschafft und geputzt wird wie früher auf Erden und menschliche Schwächen haben auch die Seligen samt Himmelspersonal. Bei Petrus (Heinrich Hahn), Erzengel Michele (Peter Schimmels), Nepomuk (Torsten Fahr), dem Postengel (Maria Heine) und einer „Reing’schmeckte“ (Susanne Barthel) geht es recht irdisch zu, man kann die Kässpätzle und Nonnefürzle geradezu riechen. Auch Frau Stiegele (Christine Türk) wartet schon lang auf den Säumigen. Klar, dass es da dem Stiegele gefällt und er gerne oben bleibt.
Abstoßend und faszinierend zugleich
Laienspielgruppe Meckenbeuren brilliert in dem Stück „Wer hat Angs vor Virginia Woolf?“

Laienspielgruppe Meckenbeuren spielt „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“: Es kocht in George. Von links George (Thorsten Fahr), Nick (Philip Schimmels), Putzi (Pia Kreuzer) und Martha (Susanne Barthel).
Helmut Voith
Ein Stück, das ohne starke Spieler von vornherein zum Scheitern verurteilt wäre – doch das Quartett, das hier auf die Bühne kommt, ist geradezu umwerfend in seiner Spielpower und seiner Tiefe. Als großes Plus erweist sich wieder mal der Pool von Spielern, der in der Jugendgruppe heranwächst: Drei Spieler samt Regisseur kommen aus dieser „Schmiede“ – Pia Kreuzer und Philip Schimmels zum ersten Mal.
Kai Weber bringt reines Schauspielertheater auf die Bühne, spannend bis zum letzten Moment. Theater, das nicht einfach illusioniert, sondern Raum für Reflexion lässt.
Im eleganten Ambiente (dank Möbelhaus Block) sitzen sie artig nebeneinander, fallen wild übereinander her, pendeln zwischen Bar und Sitzgarnitur, der Cognac- und Whiskypegel steigt bedenklich.
Schrittweise Demaskierung
Die gnadenlose Radikalität des Stücks und die komplexen Charaktere fesseln noch heute. Gebannt erlebt der Zuschauer, wie Susanne Barthel und Thorsten Fahr als Martha und George sowie Pia Kreuzer und Philip Schimmels als Putzi und Nick in dieser dramatischen Auseinandersetzung mit der Lebenslüge, in der exzessiven Entblößung und Zerfleischung des Ichs wie des Partners die schrittweise Demaskierung ihrer Figuren sichtbar machen.
Im Laut-Aggressiven wie im ganz Leisen perfekt dosiert, lässt Susanne Barthel die perfide Ehehölle, den Hass und den verborgenen Hunger nach Liebe und Verständnis in vielen Facetten schillern, lässt auch Komik mitschwingen. In 23 Ehejahren haben George und Martha Mechanismen des Kampfes entwickelt - wehe dem, der in ihren giftigen Bannkreis gerät. Sie entblößen sich vor ihren Gästen Nick und Putzi, reißen sie hinein in ihr zerfleischendes Spiel.
Möglicherweise ist ein entscheidender Punkt erreicht, als George den fiktiven Sohn sterben lässt: Es gibt kein Zurück – vielleicht ein Ansatz, der Realität ins Auge zu sehen. Das leise Ende deutet es an. Thorsten Fahr fesselt in jeder Phase, als gescheiterter Professor und todesmüder, resignierter Ehemann wie als erbarmungsloser Rächer, der in der rücksichtslosen Aufdeckung der Wahrheit den einzigen Weg zur Heilung sieht. Denn Martha ist zwar abgrundschwarzer Weibsteufel, der keine Chance auslässt, ihn zu demütigen, und doch tief verwundbar zugleich. Mit lebhaftem Mienenspiel macht Philip Schimmels als karrierebesessener Biologieprofessor die Demaskierung des Egoismus ebenso bewusst wie Pia Kreuzer die Hysterie seiner Kindfrau. Fazit: Großes Theater auf der kleinen Bühne.
Aus Südkurier vom 24.03.2017
Laienspielgruppe bringt "Wer hat Angst vor Virginia Woolf" auf die Bühne
Szenen einer nicht alltäglichen Ehe: Die Laienspielgruppe Meckenbeuren zeigt Albees "Wer hat Angst vor Virginia Woolf" im Kulturschuppen am Gleis 1. Vier Abende liefern sich die Akteure ein heftiges Ehegefecht auf der Bühne.

Zugegeben, nach jahrzehntelanger Ehe kann sich schon mal der ein oder andere Verstoß gegen die von Beziehungsratgebern propagierte achtsame und wertschätzende Kommunikation unter Partnern einschleichen. Doch was sich Martha und George in Edward Albees Klassiker „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“ gegenseitig an den Kopf ballern, geht weit über ein normales Ehegeplänkel oder das berühmte reinigende Gewitter hinaus. Dagegen nehmen sich Beleidigungen à la „Idiot“ oder „dumme Kuh“ wie zärtliches Liebesgesäusel aus. Nein, in Albees bitterer Ehesatire geht es richtig zur Sache.
Die Laienspielgruppe Meckenbeuren bringt das berühmteste Stück des Amerikaners, das in der Verfilmung mit Richard Burton und Elisabeth Taylor fünf Oscars gewann, auf die Bühne des Kulturschuppens am Gleis 1. Für Regisseur Kai Weber geht damit ein lang gehegter Traum in Erfüllung, wie er bei einem Probenbesuch erzählt. „Das ist das erste Stück, was ich jemals spielen wollte. Der Film ist grandios. Wie die beiden miteinander umgehen, dieser Wechsel der Emotionen“, gerät der Regisseur ins Schwärmen.
Doch bislang scheiterte die Realisierung dieses ambitionierten Projektes an der Besetzung der Putzi. In den Reihen der Laienspieler fand sich niemand, der die Rolle der jungen, vermeintlich naiven Dozentengattin übernehmen konnte. Mit Pia Kreuzer, mit reichlich Talent und Erfahrung aus den Tagen bei der Jugendspielgruppe gesegnet, hat Weber nun die perfekte Mimin gefunden.
Schauplatz des Geschehens, oder besser Kampfarena, ist das Wohnzimmer von Martha (Susanne Barthel, gewohnt temperamentvoll) und George (Thorsten Fahr, souverän wie immer, Thorsten Fahr). Hierhin kommt das Akademikerpaar nach dem Besuch einer Feier des Collegepräsidenten, Marthas Vater, den sie glorifiziert, spätnachts zurück. Während George schnell sein Jackett gegen die bequeme, altbackene Strickjacke tauscht, verkündetseine Frau, dass sie noch Gäste zu einem Schlummertrunk erwartet, „weil Vater gesagt hat, wir sollen nett zu ihnen sein“.
Mit Erscheinen von Putzi (Pia Kreuzer) und ihres smarten Ehemanns, des jungen, aufstrebenden Biologieprofessor Nick (Phillip Schimmels, überzeugend), kann die Schlacht beginnen. Fassungslos erlebt der Akademiker-Nachwuchs, mit welcher Schamlosigkeit das ältere Paar seine Konflikte vor den fremden Besuchern austrägt. Denn Martha und George brauchen die beiden jungen Leute als Zuschauer und Claqueure für ihr leidenschaftliches Ehegefecht, das sie schon oft durchexerziert haben. Jeder weiß um die wunden Punkte des anderen. Weiß, welche Knöpfe er drücken muss.
Beeindruckend, wie Susanne Barthel die emotionale Achterbahnfahrt Marthas präsentiert. Sie schreit, keift, brüllt mit einer Inbrunst, nur um im nächsten Moment verführerisch zu gurren oder leise zu wimmern. Auch Thorsten Fahr nimmt man den resignierten Geschichtsprofessor gerne ab. Zynismus ist seine Waffe gegen die sadistischen Verbalattacken seiner Frau. Unaufhaltsam werden Putzi und Nick in den Strudel dieses Hass-Liebe-Duells hineingezogen, werden demaskiert und schließlich selbst zu Opfern. „Die Gästefalle“ hat zugeschlagen. Da helfen auch Putzis nervtötendes, verlegenes Gegacker oder ihre dauernden Kotzanfälle nicht mehr weiter. „Willst du den totalen Krieg?“, schreit George Martha an einer Stelle an. Und natürlich will sie. Doch Martha hält sich nicht an die Spielregeln. Sie erwähnt vor den Gästen ihren fiktiven Sohn, „unsere Stütze, unseren ganzen Trost, unseren Ping-Pong Ball“. Das kann George nicht ungestraft lassen.
„ICH MACHE EINEN CHAGALL AUS IHNEN“
Meckenbeurer Laienspieler amüsieren mit Kishons bitterböser Farce zum Kunstbetrieb
Kishon wusste, wovon er schrieb, hatte er doch selbst Kunst studiert und war später auch Leiter eines Theaters. In dieser Satire auf den zeitgenössischen Kunstbetrieb wird in der richtigen Mischung von boshaften Seitenhieben und realitätsnahen Schilderungen ein Blick hinter die Kulissen gegeben, der Gegnern wie Befürwortern der modernen Kunst Spaß bereitet und sicher zum Nachdenken anregt. Die Botschaft, nicht alles todernst zu nehmen, kommt in der Inszenierung durch Hermann Scheibitz gut über die Rampe und ist auch auf andere Bereiche des Lebens zu übertragen.
Heinrich Hahn spielt einen unbekannten Maler, der vor sich hindarbt, weil sein Bestreben, Rembrandt nachzueifern, keinen interessiert. Dennoch bleibt er bis zuletzt seinen Prinzipien treu, ja gerade deshalb spielt er das verlogene Spiel, das ihn zum Shooting Star der Avantgarde macht, mit, weil er anders seinen Kampf nie gewinnen könnte. Frisch und wandlungsfähig umsorgt ihn Vanessa Köhler als sein Modell. Man glaubt ihr, dass sie Erfolg hat mit dem Einsatz weiblicher List gegen männlichen Starrsinn. Zwischen beiden entfaltet sich ein Wettkampf, der letztlich offen endet.
Eine Prachtrolle für Wolfgang Kugele ist der ebenso gefürchtete wie gefrustete Kunstkritiker Kalmann M. Kaschtan. Dieser wirft mit viel Abrakadabra um sich und kann doch nicht verbergen, dass er eigentlich von dem ganzen Hype nichts hält – dennoch will er nicht aus der ungeliebten Rolle ausbrechen, weil er damit sehr gut lebt. Sehr eng arbeitet er mit dem Kunsthändler und Mäzen Pickler zusammen. Florian Falkert gibt diesem schrägen Paradiesvogel die richtige Portion Dummheit und Dreistigkeit mit. Er überzeugt als Mann, der, von einer Getränkebude kommend, den Aufstieg zum Galeristen geschafft hat und jetzt das große Geld scheffelt.
ANSPRECHENDES BÜHNENBILD
Köstlich besetzt sind auch die Nebenfiguren wie der Pariser Maler Jacquot (Guy Mathieu), der seine Bilder von einer elektrischen Spielzeuglokomotive malen lässt, der Bildhauer Gogo (Kai Weber), den das Zahnweh mehr plagt als der Hang zur Kunst, und das gelangweilt-verführerische Modell Mon Chérie (Steffi Burkhardt). Trefflich nimmt Susanne Barthel die betuchte Kunsttouristin Mrs. Green aufs Korn, die sich alles andrehen lässt, was gerade in ist. Dass Karl Ott als verständnisloser Verkehrsminister bei der Ausstellungseröffnung zu allem ein stereotypes Lob parat hat, soll es schon zu Kaisers Zeiten gegeben haben. Als Galeriediener tragen Philipp Schimmels und Gerhard Schmid weitere vergnügliche Tupfer bei. Eine sehenswerte Aufführung – auch dank wohlüberlegter Technik und ansprechendem Bühnenbild.
DIE HÖLLE IST DAS BÜRO DES CHEFS
Das Geschehen auf der Bühne ist keinesfalls realistisch. Es ist ein Reigen aufgespießter realsatirischer Momentaufnahmen. Auch das Bühnenbild ist nicht ganz realistisch. Ein kühles Firmenambiente, zwei Toilettentüren, Kaffee-Ecke, Sitzgruppe vor einer Lamellenwand, Einzelstühle. Und zwei identische Uhren, welche die reale Zeit anzeigten. Ihre Bedeutung war nicht zu erschließen. Dass zwei oder drei oder gar fünf Firmenmitarbeiter gleichzeitig auf einen Termin beim Boss warten, kommt sicher auch nirgendwo vor. Überhaupt: der Chef! Er bleibt unsichtbar hinter seiner gepolsterten Tür. Zu ihr führen fünf Stufen, mit rotem Teppich belegt. Auch dies rein symbolisch, für die Hybris des Chefs ebenso wie für die heikle Situation, dort vorreiten zu müssen, verbunden mit Angst und Unsicherheit. Geht es um Kündigung oder Beförderung? Ein wesentliches Element sind die Versuche der Angstbewältigung qua exakter Planung des Besuchs. Die einzelnen Schritte werden mehrfach, teils zeitgleich aber versetzt heruntergebetet, bis sie zu sinnfreiem Silbengestammel entarten. Ein kleines Manko: Die Besuche beim Chef fallen oft viel zu kurz aus, es kann keine Spannung entstehen.
Die Späßchen zwischendurch vermögen nicht über Animositäten, Konkurrenzdenken, Überheblichkeit – kurzum die Hackordnung – hinwegzutäuschen. Grotesk, dass da „wirklich“ ein Messer im Rücken steckt oder eine Axt im Kopf! Großartiger Einfall, wie Hufschmidt (Florian Falkert) von seiner Kindheit heimgesucht wird: Die Eltern brüllen hinter der Lamellenwand unablässig ihre Forderungen, ihr Gemecker, ihre Drohungen.
Der wahnsinnigste Einfall aber ist, wie alle Figuren gegen Ende des Stückes mit bewundernswerter Konsequenz von einer Sekunde zur anderen in den Subtext wechseln. Äußerlich sondern sie „scheißfreundliche“ Floskeln ab, um sich sofort wüste Fäkalsprache um die Ohren zu hauen. Als souverän scheinende Businessfrau Sabine Beck. Eher naiv-aufopfernd, aber hochmotiviert Vanessa Köhler. Torsten Fahr gibt den kollegialen Kollegen mit wenig Rückgrat, der nicht merkt, wie lächerlich er sich macht. Der Größte – aber eigentlich jämmerlich – ist Florian Falkert mit gewohnter Präsenz und klarer Sprache. Bei Wolfgang Kugele stellt sich bisweilen die Frage: Ist das jetzt „Herr Kretzky“ oder Kugele privat? Zum Glück sind beide sehr sympathisch. Regisseur Kai Weber hat aus allen das Optimale herausgeholt.
23.03.2014
Laienspielgruppe Meckenbeuren spielt Satire von Ingrid Lausund

Am Gleis 1 ist die (Büro-)Hölle los: Von links Florian Falkert, Torsten Fahr, Wolfgang Kugele, Vanessa Köhler und Sabine Beck.
Helmut VoithKai Weber hat ihre 2002 in Hamburg uraufgeführte Groteske „Bandscheibenvorfall“ für die Laienspieler mit vehementem Körpereinsatz umgesetzt und doch entstehen Längen, hätte man sich mehr Rotstift gewünscht. Bei ironisch-satirischen Texten ist etwas weniger oft mehr. Ohne die Textvorlage zu kennen, lässt sich jedoch schwer sagen, wie viel der Wirkung vom Autor und von der Regie stammt.
Fünf Menschen stehen auf der Bühne, die alle darauf warten, vom Chef zum Rapport gerufen zu werden. Eigentlich sind die fünf Typen, die alle sehr engagiert gespielt werden, wie man das von den Meckenbeurer Laienspielern gewohnt ist, Gefangene. Gefangen in ihrem Drang, es dem unsichtbar bleibenden und umso schrecklicher werdenden Chef recht zu machen. Jeder ist ein Egoist, der – koste es, was es wolle – die anderen niedermacht, um selbst oben zu schwimmen. Mit einer Ausnahme: Frau Kristensen.
Vanessa Köhler spielt eine junge Frau, die glaubt, dass mehr Miteinander die Lage für alle verbessern könnte. Sie kämpft auf verlorenem Boden, ihre Anstrengungen laufen ins Leere. Selbst ein scheinbar Verbündeter wie der von Wolfgang Kugele gespielte Sonnyboy Kretzky benutzt sie nur und wechselt rasch die Fronten, wenn es opportun erscheint. Er kann so schön hinterhältig sein, während Florian Falkert als Karrierist Hufschmidt überzeugt, der über Leichen gehen würde. Ungeniert reagiert er sich ab am Kollegen Kruse, dem er sogar eine Reihe von Ohrfeigen verpasst.
Torsten Fahr überzeugt als armes Schwein, auf dem die anderen herumtrampeln können. Bleibt die intrigante Frau Schmitt als zweite Frau im Büro, von Sabine Beck mal weiblich, mal businesslike auf die Bühne gebracht. Das Ganze spielt in einem nüchternen Vorraum nahe der Kaffeetheke, den Gerhard Schmid mit seinem Team eingerichtet hat. Während jeweils einer wild entschlossen zum Chef geht, fallen die Zurückbleibenden einander in den Rücken, bilden immer neue Koalitionen. In traumartigen Sequenzen bröckeln hinter einer Lamellenwand auch mal Fassaden, scheinen Traumata und unerfüllbare Wünsche auf. Immer wieder fragt man sich, was als Nächstes noch kommen könnte, doch das Stück tritt auf der Stelle – wie im richtigen Leben. Am Ende sind alle fünf in der Damentoilette verschwunden – und dann?
Laienspieler glänzen mit frecher Seitensprungkomödie
Rasante Farce in Meckenbeuren: An zweierlei Tischen laufen simultan zweierlei Abendeinladungen statt. Von links Sandra Marschall, Torsten Fahr, Stefanie Burkhardt, Alexander Savarino, Vanessa Köhler und Florian Falkert.
Helmut VoithZum Inhalt an dieser Stelle nur so viel: „Büro-Casanova“ Bob Philipps, zu Hause ein versoffenes Ekel (als ungenierter Macho glänzt Alexander Savarino), hat eine Affäre mit der Frau seines Chefs. Nachts um zwei sind die beiden heimgekommen und bringen mit ihren Ausreden den Stein erst richtig ins Rollen. Alle Versuche, wieder auf den Boden zu kommen, führen zu neuen pikanten Komplikationen. Ob das Happyend wirklich ein Happyend ist, sei dahingestellt – sicher ist, dass die Meckenbeurer einen amüsanten Abend voller Tempo und Witz präsentieren.
Ein Clou bei all dem: Man erlebt die beiden Ehepaare anfangs beim Frühstück simultan auf der Bühne.
Von Helmut Voith (Schwäbische Zeitung)
04.11.2012
Laienspielgruppe Meckenbeuren glänzt mit scharfzüngigem Zwei-Personen-Stück
Gepfefferte Wortgefechte und skurrile Situationen machen den Spielern Susanne Barthel und Wolfgang Kugele ebenso Spaß wie den Zuschauern.
hvJedenfalls sind die gepfefferten Wortgefechte zwischen George und Alexandra, zwischen der scharfzüngigen Powerfrau und ihrem Ex, dem „zynischen Aas“, höchst vergnüglich zu beobachten. Seit fünf Jahren geschieden, sind sie sich zufällig wieder begegnet. Sie in neuer Ehe mit einem wesentlich jüngeren Mann, er mit schnell wechselnden blutjungen Gespielinnen. Wider besseres Wissen zieht es sie wieder zueinander, ihre neuen Partner lernen wir nur aus den Dialogen der Protagonisten kennen. Ein Zwei-Personen-Stück – etwas ganz anderes, Neues bei der Laienspielgruppe Meckenbeuren.
Ein flottes Stück, bei dem die Fetzen fliegen. Es erinnert bisweilen an Tennessee Williams’ „Katze auf dem heißen Blechdach“, es gibt der Assoziationen mehr. Hautnah und in packender Lebendigkeit schildert der australische Erfolgsautor Barry Creyton den Kampf eines Paares, das zehn Jahre „Schlammschlacht“ brauchte, um zu erkennen, dass die beiden nicht miteinander können, weil Kleinigkeiten des Alltags das Klima vergiften, den guten Willen zermürben. Seine Rechthaberei, seine Neurosen, sein Macho-Gehabe und ihre ironische, ja sarkastische Art, damit umzugehen. Sie bewegen sich zwischen Tisch und (selten) Bett, werfen sich gekonnt ihre Bosheiten an den Kopf. Gelegentlich – das amerikanische Klischee muss bedient werden – sind sie bei ihrem jeweiligen Psychiater, sogar auch bei dem des Partners.
Auf drei verschiedenen Ebenen – in den direkten Begegnungen, im Reflektieren beim Psychiater und in Rückblenden auf Schlüsselszenen ihrer Ehe – wird der Zuschauer zum Voyeur in diesem Kleinkrieg und hat Gelegenheit festzustellen, dass vieles aus dem Leben gegriffen ist. Vielleicht gerade der Grund, warum das Spiel so fesselt. Erst recht, nachdem Susanne Barthel und Wolfgang Kugele genüsslich den Witz, die sitzenden Pointen auskosten. Herrlich, wie hellwach die zwei Spieler aufeinander reagieren, sich die Bälle zuwerfen, allein ihre Mienen sprechen Bände. Pingpong im Squash-Tempo. Ein helles Vergnügen für die Zuschauer im Gleis 1, leider nur am vergangenen Wochenende. Wie schade.
Von Helmut Voith (Schwäbische Zeitung) 18.03.2012
Laienspielgruppe: Willkommen in der wunderbaren Welt der Wall Street!
Meckenbeuren - Mit kräftigem Applaus belohnte das Publikum am Freitagabend die Premiere der Laienspielgruppe Meckenbeuren. Mit Jerry Sterners 1991 verfilmter Kapitalismussatire „Das Geld anderer Leute“ hat sich die für ihre hohe Qualität bekannte Gruppe ein auch heute noch hochaktuelles, aber auch schwieriges Stück herausgesucht.
Man hört leider allzu oft in den Medien davon: Ein wirtschaftlich noch gesundes Unternehmen wird aufgekauft und so „saniert“, dass es vom Markt verschwindet, denn es gibt Firmen, die tot mehr wert sind als lebendig. Dabei spielen die Menschen, die betroffenen Mitarbeiter und ihre Familien, keinerlei Rolle - was zählt, ist allein die Maximierung der Rendite für Aktionäre und Börsenhaie.
Dietmar Ammann überzeugt als in die Jahre gekommener Vorstandsvorsitzender einer Neu-Engländer Firma, der wie ein Patriarch nur das Wohlergehen der Firma und seiner Mitarbeiter im Kopf hat. Alles, was nur den Anschein eines zweifelhaften Geschäfts hat, weist dieser entschieden von sich. Unterstützt wird der aufrichtige Kämpfer von seiner langjährigen Assistentin Bea. Sabine Beck verkörpert glaubhaft die Frau, die eigentlich mit der Firma verheiratet ist und darin ihre wahre Erfüllung findet, während sie ihre Tochter, die streitbare Wall-Street-Anwältin Kate, nicht mehr versteht.
Überlegen agiert Vanessa Köhler als Anwältin, die von der Mutter zu Hilfe gerufen wird, die traditionelle Firma zu retten. Hochhackig stöckelt sie über die Bühne, fremd in ihrer ehemaligen Heimat, dafür umso vertrauter mit dem skrupellosen Spiel der Börsenhaie. Der Einzige, dem sie wirklich imponiert, ist ihr Kontrahent Larry Garfinkle mit Spitznamen „Larry, der Liquidator“, und das Einzige, was ihn wirklich interessiert, ist Geld, Geld, Geld. Florian Falkert, erst seit wenigen Jahren bei der Meckenbeurer Gruppe, glänzt in der Paraderolle eines Fieslings, wie sie schöner nicht sein könnte. Ständig mit dicker Zigarre, ständig Donuts mampfend und über seine eigenen Bonmots – oder was er dafür hält – lachend, wirkt er genüsslich als Ekel, das alle Antipathie anzieht. Und doch kommen sie alle zu ihm, die retten wollen, was wohl nicht zu retten ist. Auch Billie Coles, der Manager der zu liquidierenden Firma, der noch schnell einen Deal machen will, als er seine Felle davonschwimmen sieht – eine zwielichtige Rolle für Torsten Fahr. Er hat den Enttäuschten zu spielen, der sich kurz vor dem Ziel um alles gebracht sieht und daher bereit ist, zum Verräter zu werden. Wie wird das ungleiche Spiel ausgehen: wie im richtigen Leben oder wie im Theater? Das Ende kommt jedenfalls anders als erwartet.
Kai Weber hat mit seiner ersten Regiearbeit ein großes Wagnis unternommen und gewonnen. Er hat die Personen prächtig geführt, die Spannung bis zum Schluss aufrechterhalten. Ein besonderes Lob gebührt auch dem Bühnenbild von Gerhard Schmid und seinem Team, das so treffend die kalte Stimmung des in Gang gesetzten Mechanismus einfängt.
Skurril: Lebensnahe Antihelden bieten Theater absurd
Der Kassierer (Torsten Fahr) sieht alles, was sich in seinem Supermarkt tut, auch die zwei Einkäuferinnen vor ihm (von links Verena Scheibitz und Vanessa Köhler).
Helmut VoithEine Augenweide ist allein schon das Bühnenbild von Gerhard Schmid mit Team und Rolf Fenzl: moderne Werbeflächen, versteckte Regale, in denen neben Joghurt auch Glück und Moral zu kaufen sind.
15.03.2010
Fröhliches Hauen und Stechen und Morden am Gleis 1
Die Laienspielgruppe Meckenbeuren spielt "Mac Best": Mit viel Spielfreude wird hier gehauen und gestochen und gemeuchelt.
Unweigerlich denkt man bei dem Titel an „Macbeth“, eines der bekanntesten Dramen Shakespeares. Die Handlung nimmt bei ihm einige Anleihen --die machtlüsterne Lady ebenso wie die drei Hexen, auch der Geist von Hamlets ermordetem Vater lässt grüßen. Von Shakespeares Witz und gedanklichem Tiefgang ist hier allerdings nichts zu finden, dafür gibt es genügend Action. Selbst bei den zahlreichen Umbaupausen wird der Zuschauer nicht allein gelassen: Lautstark ziehen indessen ein Trommler und ein Dudelsackpfeifer durch den Saal
Unter der Regie von Alex Savarino und Didi Ammann, die selbst mitspielen, geht das dreistündige Spektakel sehr lebendig über die Bühne. Bei den häufig wechselnden Schauplätzen wünschte man sich allerdings doch eine Drehbühne oder eine Beschränkung auf weniger Requisiten und stattdessen noch mehr Projektionen, um die Übergänge zu beschleunigen.
Die einzelnen Szenen sind wie immer bei der bewährten Laienspielgruppe Meckenbeuren sehr gut ausgearbeitet. Mit einem großen Buch sitzt die Erzählerin Barbara Kimpfler vorne an der Bühne und stellt Zusammenhänge her. Diskret hinter ihr die Souffleuse, die zumindest bei der Zweitvorstellung nur wenig zu tun hatte. Aber das ist man von den Meckenbeurern ja gewohnt.
Meuchelmord, Dämonenbeschwörung und Bardenmusik – den Besuchern des Kulturschuppens am Gleis 1 wurde am Samstagabend einiges geboten. Die Laienspielgruppe Meckenbeuren hatte sich mit Terry Pratchetts „Mac Best“ ein äußerst anspruchsvolles Projekt ausgesucht und dieses mit Bravour gemeistert. In Anlehnung an Shakespeares „Macbeth“ werden in dem Stück Machtgier, Obrigkeitshörigkeit und Schicksalsgläubigkeit auf höchst unterhaltsame Weise parodiert. Nicht um die Krone Schottlands, sondern um die Herrschaft in Lancre dreht sich hier alles. Auch befindet sich Lancre nicht etwa auf der nördlichen Erdhalbkugel, sondern in der von Terry Pratchett erschaffenen Scheibenwelt.
Dennoch haben die Charaktere in Pratchetts Fantasywelt durchaus menschliche Züge, beziehungsweise ähneln den Shakespearschen Helden. Allen voran Herzog Felmet (Torsten Fahr): Getrieben von seiner machtbesessenen Gattin (Steffi Burkhard) ermordet er hinterrücks seinen Cousin König Verence und übernimmt die Herrschaft in Lancre. Wie Torsten Fahr die Grenzen zwischen Herrschaft und Wahnsinn, zwischen tyrannischem Diktator und devotem Ehemann auslotet, ist beeindruckend. „Ich war nicht dabei. Er fiel unglücklich“ – mit diesen Worten versucht er, sich aus der Affäre zu ziehen. Doch er kann den fortschreitenden Wahnsinn nicht aufhalten. So sehr er sich auch mit Hilfe von Schmirgelpapier und Feile bemüht, er kann die blutbefleckten Hände, Ausdruck seiner Schuld, nicht reinwaschen. Zudem muss er bald erkennen, dass die Herrschaft über Lancre langweilig ist
Dienstag, den 18. August 2009
KLASSENKAMPF FLAMMT IM KULTURSCHUPPEN AUF
Herrlich, wie ein Mensch strahlen kann. Wenn man Hermann Scheibitz und seine Laienspieler am Sonntagabend nach der Zweitaufführung von "Bezahlt wird nicht" im Kulturschuppen am Gleis 1 erlebt hat, weiß man, dass sie sich im neuen Haus pudelwohl fühlen und ihren Erfolg mit Recht genießen.
(MECKENBEUREN/sz) Eine Runde ums Haus und der Eingang ist gefunden. Auf dem Bahnsteig, der zur "Flaniermeile" zwischen Theaterraum und Bistrowagen geworden ist, tummeln sich in froher Erwartung die Besucher - vom Bistroteam gut versorgt. Vorsitzende Margot Fischer führt uns Pressevertreter vor der Vorstellung auf die geräumige Hinterbühne, wo Spieler und Requisiten auf ihren Auftritt warten. Ein Monitor zeigt die Bühne - Kameras und Monitor sind das Einstandsgeschenk der Laienspielgruppe als Dank dafür, dass sie hier eine neue Heimat gefunden hat. Eine Treppe tiefer zeigt uns Margot Fischer die Umkleideräume, in denen die Spieler auch Duschen und WCs finden, ein großer Spiegel im Vorraum erlaubt einen letzten Blick auf das Kostüm.
Im Saal stellt sich die Frage, wie wohl von hinten die Sicht auf die Bühne sein mag. Hermann Scheibitz hat das Problem erkannt: Bei großen Veranstaltungen werde man wohl wieder die Podeste aus dem Feuerwehrhaus aufbauen, denn was sich auf dem Bühnenboden abspiele, sei hinten nicht mehr zu sehen. Scheibitz hat schnell reagiert: Der Polizeiinspektor, der bei der Hauptprobe ohnmächtig am Boden lag, fällt jetzt wie tot aufs Bett und wird dort zur Freude der Zuschauer "beatmet".
Nach der gelungenen Premiere sind auch die Besucher der Sonntagsvorstellung bald mitten drin im Stück, amüsieren sich über das lebhafte Spiel, über die klassenkämpferischen Sprüche, die Hermann Scheibitz in unsere bundesrepublikanische Jetzt-Zeit geholt hat. Einen Theaterklassiker hätten sie ausgesucht, sagt Scheibitz zur Begrüßung, "Bezahlt wird nicht", so brisant, dass der Autor Dario Fo zu seiner Zeit dafür eingesperrt wurde. Fröhlich tönt's aus dem Publikum: "Wir haben bezahlt!"
BRISANZ LIEGT IN DER LUFT
"Dees isch aber steril!", meint eine Zuschauerin, als der Vorhang aufgeht - die Arbeiterwohnküche ist nicht sehr einladend, doch wer seit vier Monaten keine Miete zahlt, kann sich's nicht gemütlich machen. Spannende Unterhaltung, viel Spaß und nicht wenig Brisanz liegen in der Luft, wenn die Frauen die geklauten Sachen aus dem Supermarkt retten und ihre Männer mit falschen dicken Bäuchen narren, wenn die Männer Vogel- und Hundefutter futtern und Polizisten ausrasten. Wieder gefallen Sabine Beck als temperamentsprühende Klara, Vanessa Köhler als furchtsame Lissi, Torsten Fahr als Helmut, der lange den gutmütigen Trottel spielt, bis auch er seine Wut im Bauch rauslässt, und Alexander Savarino als kämpferischer Arbeiter. Den Vogel schießt Dietmar Ammann ab, wenn er bald als aufmüpfiger, bald als linientreuer Polizist auftaucht und sich blitzschnell in einen vergesslichen Alten und einen jiddischen Bestatter verwandelt. Von ihm stammen auch die köstlich frechen Texte im "Schwabenkurier", dem Alexander Savarino und Sabine Beck seine authentische Form gegeben haben. Ammann und Savarino werden das nächste Spiel der Laienspielgruppe inszenieren.
(Erschienen: Schwäbische Zeitung 24.03.2009)